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Originalarbeit: Veränderungen im Alltag aus Sicht von Eltern von Kindern mit Cerebralparese. Eine qualitative Studie

Karoline Munsch, Annette Probst

Abstract


Die Orientierung am Alltag von Kind und Familie gilt als grundlegendes Kriterium für die Ausrichtung von Förderangeboten für Familien mit einem Kind mit Cerebralparese. Für die therapeutische und pädagogische Begleitung der Familie besteht die Herausforderung, ein Verständnis von deren Alltagsgestaltung und Unterstützungsbedarfen zu gewinnen, sowie im Verlauf der sich daraus ergebenden Förderung Veränderungen im Alltag der Familien abbilden zu können. Durch Instrumente zur Erfassung der Alltagsbewältigung werden mit der Auswahl der erfragten Aktivitäten und Lebensbereiche sowie durch die Fokussierung auf Interventionsziele Vorannahmen über den Familienalltag aufgestellt und eingegrenzt. Ziel dieser Studie war es, Veränderungsprozesse im Alltag, die sich im Verlauf der ersten Lebensjahre bis zum Schuleintritt des betroffenen Kindes einstellen, aus der Perspektive der Eltern zu erfassen und dadurch ein tieferes Verständnis ihrer subjektiven Bedeutungszuschreibungen hinsichtlich dieser Prozesse zu generieren. Als zentrales Phänomen konnte das „Leben lernen zwischen den erwarteten und besonderen Anforderungen“ aus den Interviews herausgearbeitet werden. Vielfältige Aufgaben, die die Eltern in Veränderungsprozessen als Lernprozesse beschreiben, müssen von ihnen gleichzeitig innerhalb und außerhalb des Familiensystems koordiniert, vereinbart und geleistet werden. Es konnten sowohl im Rahmen der „Entwicklungs- und Teilhabearbeit“ mit dem Kind als auch der „Positionierungsarbeit“ als Neuausrichtung der eigenen Lebensvorstellungen Aufgaben identifiziert werden, die von den Eltern übernommen werden, ohne dass diese sie bewusst thematisieren. Die starke Routinisierung von Alltagsabläufen in ihrer jeweils individuell kreierten Gestaltung sowie die als Selbstverständlichkeit wahrgenommene vollumfängliche Zuständigkeit der Eltern für die Bewältigung des Familienalltags verweisen auf den Bedarf, den Erzählungen der Eltern im Rahmen einer familien- und alltagsorientierten Förderung Raum zu geben.

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DOI: http://dx.doi.org/10.2378/fi2022.art07d