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Rezension: Krumholz

Christian Mürner

Abstract


„Das Kind“ – so wird es bis fast zur Hälfte des Romans des Luzerner Schriftstellers Flavio Steimann genannt – erhält erst mit sechzehn Jahren seinen Namen Agatha (S. 81). Bei der Geburt stirbt die Mutter, das Kind überlebt. Es ist, wie erst später festgestellt wird, „ein Taubstümmchen, ein Viersinniges“ (S. 14). Seinem Vater, dem Bauern Klausert, geht der Lebenssinn verloren. Während das ganze Dorf zur Lichtmess tanzt, steckt er seinen Hof in Brand und erhängt sich. Für die mit Löschgerät verzögert eintreffenden Männer aus dem Dorf gibt es nichts mehr zu retten. Doch sie suchen fieberhaft nach dem Kind. Schließlich findet es einer, gut verpackt sicher hinten in einer Ecke in einem „Chaisenwagen“ (einem kleinen Fuhrwerk). Die Geschichte spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Schweizer Mittelland, vielleicht im Entlebuch oder im Emmental. Sie scheint zunächst erzählt wie in Jeremias Gotthelfs guter alter Zeit, doch dann kommt sie oft in brillanten Sätzen am Anfang eines Abschnitts auf den Punkt: „Aber dann waltet das Amt“ (S. 22). Das Kind kommt in die „Armen- & Irrenanstalt“. Es ist eine genaue Beobachterin. Im Esssaal am Männertisch fällt ihm einer auf, dessen Hände wie armdicke Finger aussehen, ein anderer hat eine Holzprothese und ein weiterer mit weißen Haaren einen Fotoapparat. Grotwohl, Ludian und Lumière nennt sie der Erzähler mit Namen.

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DOI: http://dx.doi.org/10.2378/vhn2021.art39d